Mangel an bezahlbarem Wohnraum im Schwalm-Eder-Kreis

Diskussion beim monatlichen AWO-Frühstück

Schwalmstadt-Treysa. „Bezahlbarer Wohnraum für alle Menschen im Schwalm-Eder-Kreis“ lautete das Thema einer Kooperationsveranstaltung des Diakonischen Werks im Schwalm-Eder-Kreis, des Evangelischen Forums Schwalm-Eder und der Arbeiterwohlfahrt in Schwalmstadt.  Inhaltlich ging es bei der Veranstaltung im Rahmen des Dezemberfrühstücks der AWO darum, dass es an preiswerten Wohnungen und auch an der finanziellen Unterstützung bei den Unterkunftskosten für Empfänger von Grundsicherungsleistungen mangele.

Pfarrer Dierk Glitzenhirn vom Evangelischen Forum begrüßte als Moderator Experten aus unterschiedlichen Fachgebieten vor gut 80 Personen, darunter Mitglieder fast aller Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung.

 

Vasco Knickrehm, Direktor des Hessischen Sozialgerichts in Kassel, referierte zu Beginn über die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. „Die Angemessensheitsgrenze ist zunächst abstrakt zu ermitteln, die Anwendbarkeit ist jedoch konkret-individuell zu prüfen“, stieg er in die komplizierte Materie ein. Dazu sei jeweils ein sogenannter Vergleichsraum zu bestimmen, der jedoch nicht den ganzen Landkreis umfassen dürfe, da er beispielsweise die Besonderheiten in der Stadt und auf dem Land berücksichtigen müsse. Den Anspruchsberechtigten stünde die Erstattung der realen Wohnkosten zu. Seitens des Kreises sei in einem schlüssigen Konzept vorab darzulegen, welche Wohnung angemessen sei.

 

Sven Adam, Rechtsanwalt aus Göttingen mit Schwerpunkt Sozialrecht, begrüßte es, dass sich der Schwalm-Eder-Kreis nun gegen ein solches Konzept entschieden habe und sich stattdessen der Methode „Wohngeldtabelle plus zehn Prozent“ bediene, was ebenfalls gesetzeskonform sei. Immobilienmakler Jürgen König aus Homberg (Efze) stellte die Position der Vermieter dar. Aufgrund gestiegener Wohnbaukosten, etwa durch verbesserte Wärmedämmung, habe sich der Wohnungsmarkt in der Vergangenheit stark geändert, die Wohnungen hätten sich verteuert. Kateryna Reich informierte über die Arbeit der Wohnungsnotfallhilfe des Diakonischen Werks in Fritzlar. „Wenden sie sich frühzeitig an uns“, forderte sie eventuell Betroffene auf, „nicht erst, wenn der Räumungsbescheid vorliegt“. Hans-Gerhard Gatzweiler und Joachim Schumann vom Jobcenter Schwalm-Eder hatten für die Anwesenden die gute Nachricht, „wir sind aufgrund der geänderten Rechtslage dabei zu prüfen, wem rückwirkend ab Jahresbeginn 2019 eine Nachzahlung zusteht“ – bei weit über 4.000 Bedarfsgemeinschaften im Schwalm-Eder-Kreis sei dies jedoch eine große Aufgabe. Alle Fälle würden durch das Jobcenter unaufgefordert geprüft und neu beschieden.

 

Diakoniepfarrerin Margret Artzt aus Homberg (Efze) dankte der Planungsgruppe, bestehend aus Dierk Glitzenhirn (Forum), Reinhold Kuchler (AWO) und Silvia Scheffer (Flüchtlingsarbeit des Diakonischen Werkes), für ihre Vorarbeit, bei der über zwei Jahre hinweg immer wieder auf rechtliche Veränderungen eingegangen werden musste. Sie würdigte im Schlusswort die Neuregelung im Kreis als konstruktiven Schritt, der den Betroffenen helfe, und unterstrich die von allen Beteiligten geteilte Einschätzung, dass es noch mehr Beratung zu dem komplizierten Thema geben müsse. Alle seien sich außerdem einig gewesen, dass es weiterhin an günstigem Wohnraum im Schwalm-Eder-Kreis fehle.

 

War als Impulsgeber in Treysa zu Gast: Vasco Knickrehm, Direktor des Hessischen Sozialgerichts (Kassel). (Text und Bild: Ulrich Köster)